- Ausstellung: Pionierinnen
- Madame de Staël
„Sollte nicht jede Frau, wie jeder Mann, der Neigung ihrer eigenen Talente nachgehen?”
Das obige Zitat stammt von Madame de Staël (1766-1817),, einer politisch engagierten Literatin, die die Französische Revolution überlebt hatte und mehrmals von Napoleon ins Exil geschicht worden war.
Anne Louise Germaine Necker - Madame de Staël-Holstein, so ihr vollständiger Name - produzierte sowohl kritische als auch fiktionale literarische Werke, die die europäische Romantik in bedeutendem Maße beeinflussten. Sie unternahm viele Reisen und hatte zahlreiche Begegnungen mit Politikern, Künstlern und Schriftstellern und sie war für ihre Weltoffenheit und ihren diskreten Feminismus bekannt.
Germaine Necker war das einzige Kind von Jacques Necker, einem prominenten Schweizer Bankier und Finanzminister unter König Ludwig XVI. von Frankreich, und Suzanne Curchod, ebenfalls von schweizerischer Abstammung, die einen der beliebtesten Pariser Salons führte.
Da sie in ihrer Familie nach den liberalen Grundsätzen des Philosophen Jean-Jacques Rousseau erzogen wurde, nahm sie regelmäßig an den Debatten im Salon ihrer Mutter teil. Im Alter von 13 Jahren hatte sie bereits Montesquieu, Shakespeare und Dante gelesen.
Mit 20 Jahren wurde sie mit dem schwedischen Diplomaten Baron Erik Magnus Staël von Holstein verheiratet.
Im Jahr 1788 veröffentlichte sie ihr erstes Werk Lettres sur les ouvrages et le caractère de J.J. Rousseau [Briefe über die Werke und den Charakter von J.J. Rousseau].
Madame de Staël wurde zunehmend politisch engagierter, und im Mai 1789 nahm sie an den Versammlungen der Generalstände in Versailles teil; dieses war eine Generalversammlung, in der die französischen Stände - Klerus, Adel und Dritter Stand - vertreten waren.
In jener Zeit sah sich die französische Regierung mit einer schweren Wirtschaftskrise konfrontiert, in der ihr Vater eine sehr bedeutende Rolle spielte. Nach einem Konflikt wurde er von König Ludwig XVI. entlassen und verbannt, was einen großen Aufruhr unter der Pariser Bevölkerung auslöste und in die Stürmung der Bastille - den Beginn der Französischen Revolution - mündete. Necker, der jetzt auch von Revolutionisten angegriffen wurde, musste in die Schweiz fliehen.
Madame de Staël blieb unterdessen in Paris, wo sie unter dem Schutz der Privilegien als Gemahlin eines Botschafters stand. So war es ihr möglich, ihren Salon weiterzuführen, der sowohl von Gemäßigten (darunter dem politisch engagierten Bischof Talleyrand) als auch von Monarchisten frequentiert wurde.
Im Anschluss an die Verkündigung der französischen Verfassung von 1791 in der Nationalversammlung beschloss sie jedoch, sich von der Politik fernzuhalten. ‚Die feinen Künste und die Literatur werden mich in meiner Freizeit beschäftigen’, verkündete sie.
Nach dem Ausruf der französischen Republik am 21. September 1792 gipfelten die Grausamkeiten der Revolution in der Schreckensherrschaft, und Madame de Staël versuchte, mit ihrer gesamten Entourage die Flucht zu ergreifen. Ihre Kutsche wurde angehalten, und die Volksmenge zwang sie, sich zum Pariser Rathaus zu begeben; hier residierte Robespierre, eine der bekanntesten und einflussreichsten Figuren der Französischen Revolution. Er ließ sie festnehmen und vernehmen, doch schließlich erhielt sie die Erlaubnis, die Stadt mit einem neuen Reisepass zu verlassen.
Madame de Staël sollte ihre Gedanken über die Revolution später in ihrem Roman Delphine verarbeiten, in dem sie auf die Verhaftungen, die Gewalt und das Schicksal der Emigrierten zurückblickt.
Madame de Staël hatte zwei Begegnungen mit Napoleon und kam zu der Schlussfolgerung, dass er ‚ein grausamer Tyrann war, der Menschen als Figuren auf einem Schachbrett betrachtete, über das er die alleinige Kontrolle hatte‘.
In Considérations sur les principaux événemens de la révolution françoise [Betrachtungen über die wichtigsten Ereignisse der Französischen Revolution] erzählte sie: ‚[Bonaparte] schüchterte mich stetig immer mehr ein. Ich hatte ein verwirrendes Gefühl, dass kein Gefühl des Herzens auf ihn einzuwirken vermochte.'
Nach der Veröffentlichung von De la littérature considérée dans ses rapports avec les institutions sociales [Über den Einfluss der Literatur auf die Gesellschaft], ihrem ersten philosophischen Ansatz zu einer Betrachtung Europas, wurde es deutlich, dass der ‚Erste Konsul‘ und Madame de Staël mit Wahrscheinlichkeit nicht miteinander klarkommen würden. Napoleon widerstrebten ihr entschiedener kultureller Einfluss und ihre Verallgemeinerungen. Seiner Ansicht nach sollte eine Frau bei der Handarbeit bleiben.
Bonaparte is nicht nur ein Mann, sondern ein System, (...). Daher ist er als ein großes Problem zu untersuchen, dessen Lösung im Hinblick auf jedes Zeitalter bedeutsam ist.
Madame de Staël, Betrachtungen über die wichtigsten Ereignisse der Französischen Revolution
Unterdessen weckte Madame de Staëls ausgedehntes Netzwerk von Beziehungen, darunter mit ausländischen Diplomaten und bekannten politischen Gegnern, bei Napoleon Verdacht auf eine mögliche Verschwörung. So verbannte er sie im Oktober 1803 ohne Anhörung ins Exil, und sie ging ‚aus Stolz‘ nach Deutschland, in der Hoffnung, so bald wie möglich wieder nach Frankreich zurückkehren zu können.
Madame de Staël besuchte Weimar, Leipzig und Berlin, wo sie Begegnungen mit vielen berühmten Persönlichkeiten, Schriftstellern und Literaten hatte. Goethe bezeichnete sie als eine ‚außergewöhnliche Frau‘, während Schiller sie für ihre Intelligenz und Sprachgewandtheit rühmte.
Nach dem Tod ihres Vaters im April 1804 zog sie mit ihrer Familie auf den Familiensitz in die Schweiz.
Im Dezember 1804 unternahm Madame de Staël eine Reise nach Italien, wo sie ihre Theorie über den Unterschied zwischen den Gesellschaften des Nordens und des Südens weiterentwickelte. Diese Reisen bildeten die Grundlage für ihr Werk Corinne, ou L'Italie [Corinne, ode Italien], in dem sie alle Italienischen Kunstwerke aufführte, die von Napoleon beschlagnahmt und nach Frankreich überführt worden waren. Wiederum veranlasste Napoleon, sie zurück in die Schweiz zu schicken, wo sie sich einen Debattierclub für andere Verbannte, die Napoleon gegenüber feindlich gesinnt waren, zu ihrer neuen Heimat. Stendhal beschrieb diesen als ‚das Hauptquartier des europäischen Gedankenguts’.
Eine Zeit lang war sie ständig unterwegs und arbeitete an einem der einflussreichsten Werke des 19. Jahrhunderts, De l'Allemagne [Über Deutschland]. Auf der Grundlage ihrer Unterhaltungen mit Goethe und Schiller stellte sie den Gedanken von Deutschland als Vorbild in Bezug auf seine Ethik und den Sinn für das Schöne vor, und sie pries seine Literatur und Philosophie.
Sie war fest entschieden, das Werk in Frankreich zu veröffentlichen, denn sie zweifelte auch die politischen Strukuren Frankreichs an, womit sie indirekt Napoleon kritisierte. Dafür wurde Madame de Staël wiederum ins Exil geschickt.
Nach einer viermonatigen Reise kam sie in Schweden an, wo sie begann, ihr Werk Dix années d'exil [Zehn Jahre Exil] zu verfassen: eine Beschreibung der Menschen, denen sie begegnet war und der Dinge, die sie gesehen hatte. Sie vollendete das Manuskript jedoch nicht, sondern brach anstattdessen nach England auf, wo sie eine Begegnung mit Lord Byron hatte.
Für Byron war sie die großartigste lebende Schriftstellerin Europas, ‚mit ihrem Füllfederhalter hinter den Ohren und ihrem Mund voller Tinte’. Er schrieb auch, dass sie ‚manchmal recht und oft unrecht hatte über Italien und England - doch fast immer wahr in ihrer Beschreibung des Herzens, das von einer Nation von keinem Land, oder vielmehr, von allen ist.’
Im Mai 1814, unmittelbar nachdem Napoleon auf der Insel Elba ins Exil verbannt wurde, kehrte Madame de Staël nach Paris zurück, wo sie wieder schriftstellerisch tätig wurde und ihren Salon wiedereröffnete. Als im Jahr 1815 jedoch die Nachricht über Napoleons Rückkehr auf französisches Gebiet verkündet wurde, ergriff sie wiederum die Flucht in die Schweiz. Nach Napoleons endgültiger Niederlage und Abdankung ging sie um ihrer Gesundheit willen nach Italien. Trotz ihres sich stets verschlechternden Gesundheitszustands kehrte sie nach Paris zurück, wo sie am 14. Juli verstarb.
Ihr politisches Vermächtnis wurde allgemein als eine entschiedene Verteidigung republikanischer und liberaler Werte identifiziert: Gleichheit, persönliche Freiheit - insbesondere für Frauen, und die Beschränkung der Macht durch Verfassungsnormen.
Zeit ihres Lebens bekräftigte Madame de Staël entschieden, dass die Politik für sie überlebenswichtig sei. Wenngleich ihre Meinung über die Schicklichkeit des politischen Engagements von Frauen bisweilen variierte, erklärte sie häufig und offen, dass die Verweigerung des Zugangs von Frauen zur öffentlichen Sphäre des Aktivismus und Engagements eine Verletzung der Menschenrechte sei.