- Ausstellung: Der Weg zur Abstraktion
- Weg vom Realismus
Wie wir in diesem Kapitel gesehen haben, war der Trend in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zur abstrakten Malerei hin in verschiedenen Kunstgenres wie Landschaftsmalerei, Volkskunst und Porträtmalerei festzustellen. Auch die religiöse Kunst war keine Ausnahme.
Das Buntglasfenster Apollo: Kopernikanisches Sonnensystem von Stanisław Wyspiański (1869-1907) war für das Gebäude der Medizinischen Gesellschaft in Krakau, Polen, in Auftrag gegeben worden. Der Künstler hatte auch alle Innenausstattungen des Gebäudes, einschließlich der Wanddekorationen und Möbel, entworfen. Wyspiański war Dichter, Maler und Dramatiker und der Verfasser symbolischer, nationaler Dramen im Geiste der künstlerischen Philosophie der Bewegung Junges Polen. Erforschen Sie mehr zu Wyspiańskis außergewöhnlichem Werk hier auf Europeana.
Genau wie Wyspiański war auch Mikalojus Konstantinas Čiurlionis (1875-1911) ein vielseitig talentierter Künstler als Komponist, Maler, Schriftsteller und Fotograf. Er ist bis heute eine bedeutende Persönlichkeit in der litauischen Kunst. In komplexen Werken wie Sonate Nr. 6 (Sternensonate): Allegro, löst sich Čiurlionis’ Kunst von der Realität und übernimmt eine kosmische Art der Abstraktion.
Wie viele Künstler und Schriftsteller, die um die Jahrhundertwende aktiv waren, war auch Čiurlionis interessiert, die verschiedenen philosophischen und religiösen Theorien zu erforschen. Er malte sieben bildliche Sonaten, die mit der Theorie der Synesthesia verbunden sind, in diesem Fall also einer Verbindung von Musik und Kunst. Čiurlionis wandte in Werken wie Sonate Nr. 6 (Sternensonate) die Prinzipien von musikalischer Komposition und Malerei an. In Allegro sind die kompositorischen Elemente in einem komplexen Rhythmus verschiedener Variationen arrangiert. Das Gemälde wird vom M. K. Čiurlionis Nationales Kunstmuseum wie folgt beschrieben: „Čiurlionis sieht das Universum als eine herrliche polyphonische Symphonie von ineinandergreifendem kosmischen Nebel, Sternen und Sonnenlicht. Die Wellen dieses ozeanischen Raums – die Melodien – wirbeln und torkeln aneinander vorbei und bilden ein prächtiges, ornamentiertes und herrliches Gewebe, das von der Milchstraße durchzogen wird. Die Bewegung im Weltall ist nicht chaotisch, sondern rhythmisch und harmonisch. Das Symbol von Ordnung und Harmonie des Universums wird als die Figur eines Engels vergegenwärtigt, der in einem spitz zulaufenden Lichtkegel steht.”
Während des gesamten 20. Jahrhunderts trafen neue Kunststile – wie immer – oft auf eine ablehnende Reaktion von den Ausstellungsbesuchern und dem Kunstestablishment. Die irische Künstlerin Mainie Jellett (1897-1944) studierte unter Walter Sickert an der Westminster School of Art in London. 1921 ging sie nach Paris, um dort unter den Kubisten André Lhote und Albert Gleizes zu arbeiten.
Als Jellett in die Heimat zurückkehrte und ihre nicht-figurativen Werke 1922 in Irland ausstellte, wurde sie stark kritisiert. Sie trat aber weiterhin für Modernismus und Abstraktion ein und war 1943 maßgeblich an der Gründung von Irische Ausstellung lebende Kunst beteiligt. Heute gilt Jellett als eine Schlüsselfigur im irischen Modernismus.
Raul Meel (geb. 1941) ist ein autodidaktischer estnischer Künstler, dessen Werke weltweit ausgestellt und gesammelt wurden. In seiner Jugend unternahm er entscheidende Schritte, um sich von den offiziellen Erfordernissen sowjetischer Kunst zu distanzieren und er wurde zu einem der ersten Vertreter ‚konkreter Poesie‘ im ehemaligen Ostblock. Meel studierte Elektrotechnik an der Universität und sein technischer Hintergrund gab ihm vielleicht eine andere Perspektive zur Kunst. Mit seinen experimentellen ‚Schreibmaschinengedichten‘ hatte Meel ein Gefühl der Zugehörigkeit zu den westlichen Künstlern der Avantgarde in den 1960-er und 1970-er Jahren.
Meels radikale Kunst fand den Dialog mit Minimalismus und Konzeptkunst, die die Sowjetunion mit allen Mitteln zu verbieten versuch hatte. Der Singende Baum ist eine maschinengeschriebene Zeichnung bestehend aus Wörtern (Vogel und Land), deren Wirkung von den Wechselbeziehungen zwischen den verschiedenen Systemen und Symbolen (Text und visuelle Darstellungen) bestimmt wird.