Einleitung
Um außergewöhnliche Erfahrungen und Zufälle - sogar Wunder – ging es in den erstaunlichsten Geschichten, die im Rahmen dieses Projekts erzählt wurden. Wer hätte erwartet, dass aus Feinden Freunde werden würden, nachdem sie gemeinsam ein Feuer gelöscht hatten? Oder dass Soldaten durch Gegenstände, die sie bei sich trugen, vor Kugeln geschützt wurden? Oder sogar eine reich verzierte Kreuzdartellung in einer Flasche? Was dieses Projekt so besonders interessant macht, ist die Tatsache, dass so viele dieser Artefakte sich nicht nur einer einfachen Kategorisierung entziehen, sondern möglicherweise auch noch nie öffentlich gezeigt wurden. Stattdessen wurden sie als Familienerinnerungsstücke aufbewahrt, als Andenken an eine vergangene Zeit und Menschen, die ohne sie nicht existiert hätten.
'Die Bibel meines Vaters rettete ihm das Leben’
Wo auch immer Kurt Geiler war – seine Bibel trug der fromme Christ stets bei sich. 1917 zahlte sich sein tiefer Glaube aus, denn das wertvolle, in Leder gebundene Buch rettete ihm das Leben.
Es geschah während des endlosen Stellungskriegs im Nordosten Frankreichs. Der deutsche Infanterist schlief wie immer mit seiner Bibel unter dem Kopf. Ein Volltreffer, der ohne Vorwarnung einschlug, zerstörte seinen Unterstand fast völlig. Viele der Kameraden von Kurt Geiler wurden verwundet oder getötet.
Geiler war unverletzt und konnte sich aus den Trümmern befreien. Erst als er seine Bibel später wiederfand, wurde ihm sehr zu seinem Erstaunen klar, dass das heilige Buch ihn gerettet hatte.
Sein Sohn, Professor Gottfried Geiler aus Leipzig, sagte: „Ein 4 cm großes Schrapnellfragment zerfetzte die Bibel unter seinem Kopf. Es brach durch, aber nicht ganz, und so blieb mein Vater unverletzt und am Leben.
„Es ist tatsächlich so, dass die Bibel, die in unserer Familie seither als wertvolles Andenken aufbewahrt wird, im wahrsten Sinne des Wortes seine Rettung war.”
Geilers Enkel Markus Geiler sagte, dass die Bibel in der Familie auch als „Anti-Kriegs-Symbol“ angesehen wird.
„Ich erinnere mich, dass mein Vater mich zu seinem Bücherschrank führte, ihn öffnete und die Bibel heraus nahm, die in dickes Papier eingewickelt war“, so Markus Geiler.
„Er sagte: ‚Sieh mal, das hier hat deinem Großvater das Leben gerettet.’ Für uns war es immer etwas ganz Besonderes, wenn dieses Buch ausgepackt wurde.”
Gerettet nach zwei quälenden Tagen
Einem britischen Soldaten, der für tot gehalten und zurückgelassen wurde, nachdem ihm beide Beine durchschossen worden waren, wurde das Leben durch alliierte Soldaten gerettet, die im selben Schützengraben Stellung bezogen hatten.
John Stafford war nur etwa 18 Meter von den Deutschen entfernt, als er während der groß angelegten Offensive an der Somme 1916 verwundet wurde, bei der 420 000 britische Soldaten ihr Leben verloren oder verwundet wurden, davon 60 000 allein am ersten Tag.
Seine Tochter Joan Almond, 85, aus Preston erzählte, dass ihr Vater die zwei Tage vor seiner Rettung immer wieder bewusstlos wurde. Dies hielt er in einem detaillierten Bericht fest, den seine Familie abtippte, um ihn sicher aufbewahren zu können.
„Glücklicherweise konnten die Ärzte sein Bein trotz der schweren Verwundung retten - auch wenn es am Ende fast 9 cm kürzer war als das andere und er für den Rest seines Lebens einen orthopädischen Schuh tragen musste.”
Aber der Krieg hatte John sehr zugesetzt, so Joan, von der wir eine mit der Maschine geschriebene Kopie der Kriegserinnerungen ihres Vaters erhielten.
„Mein Vater war ein wunderbarer Mann”, sagte sie. „Aber wenn ich zurückblicke, denke ich, dass die Kriegserinnerungen ihn immer wieder eingeholt haben, besonders wenn ich jetzt seinen Bericht lese. Meine Mutter ermutigte ihn, seine Erlebnisse niederzuschreiben, und das scheint eine beruhigende Wirkung auf ihn gehabt zu haben.”
Das Unerwartete - Gerettet von einem Kruzifix und einem Akt der Menschlichkeit
James Burke pflegte zu sagen, dass er sein Leben zweierlei verdankte - dem Kruzifix aus Metall, das er in seiner Reverstasche trug, und einem deutschen Offizier, der ihn vor dem sicheren Tod rettete.
Der bei den Royal Irish Fusiliers als Gefreiter dienende 22-jährige kämpfte in St Quentin, Nordfrankreich, während der letzten großen feindlichen Offensive am 21. März 1918, als er von einem deutschen Scharfschützen in die Brust getroffen wurde.
Die Kugel prallte von dem Arm eines siebeneinhalb Zentimeter langen Kreuzes ab, das er immer in seinem Waffenrock trug, und verursachte eine Platzwunde genau über dem Herzen. Aber der verwundete Soldat aus Dublin war immer noch in Gefahr, denn der Scharfschütze hätte jederzeit noch einmal schießen können.
„Zum Glück griff ein junger deutscher Offizier ein und trug James zu einem Feldlazarett, wo sein Leben gerettet wurde”, erzählte Don Mullan, der das verbeulte Kruzifix zu der Ausstellung in Dublin beisteuerte.
„James sagte immer, dass er sein Leben diesem Kreuz und dem deutschen Offizier verdankte, der sich ihm gegenüber so menschlich verhalten hatte“, fügte Don hinzu, der die aus dem Ersten Weltkrieg stammenden Erinnerungsstücke des Private Burke von seinem Sohn Gary – dem Patenonkel von Dons Frau Margaret - erbte.
Aus Feinden werden nach gemeinsam gelöschter Feuersbrunst Freunde
Aus zwei Feinden – der eine Engländer, der andere Deutsche – wurden Freunde fürs Leben. Beide waren instinktiv in ein brennendes Gebäude gerannt, um zu verhindern, dass das Feuer auf ein nahe gelegenes Kraftwerk übergriff.
Der Obergefreite der Royal Air Force, Bernard Darley, war in der Werkstatt in St Omer, Nordfrankreich, stationiert, als das Feuer am 2. September 1919 ausbrach.
Sowohl Bernard als auch der deutsche Kriegsgefangene Otto Arndt befürchteten, dass die Öl- und Benzintanks über dem Gebäude durch die Hitze explodieren und Funken die freiliegenden, eine Spannung von 15 000 Volt führenden Leitungen im Kraftwerk entzünden könnten. Beide wussten, dass sie schnell handeln mussten.
In einem von seinem Hauptmann geschriebenen Brief lobt dieser Bernards Tapferkeit. Demnach versuchte Bernard, den Brand mit einem Feuerlöscher zu bekämpfen, bevor er einen Schlauch in das Gebäude zog, der ihm durch das Fenster von einem Feuerwehrmann angereicht wurde.
„Mein Großvater Bernard und Otto bahnten sich unter Einsatz ihres eigenen Lebens tapfer den Weg in das brennende Gebäude, um das Feuer zu löschen", sagte Merilyn Jones aus Sutton Coldfield. „Ich bin sehr stolz auf das, was er getan hat.”
Die Streichholzschachtel, auf der auf der einen Seite „St Omer” und auf der anderen Seite „Souvenir from France” steht, wurde von Otto für Bernard angefertigt. Sie ist ein Andenken an den dramatischen Vorfall, dem sie ihre gegen alle Widrigkeiten entstandene Freundschaft verdanken.
Nur Zentimeter von der Nichtexistenz entfernt
William Andrews überlebte einen Volltreffer durch ein deutsches Schrapnellfragment an der Somme. Als er auf einer Bahre davon getragen wurde, wollte er sich auf keinen Fall von dem Helm trennen, der ihn gerettet hatte.
„Gib ihn mir - er hat mir das Leben gerettet - ich möchte ihn später meinen Enkeln zeigen", sagte er zu dem jungen Offizier, der den Helm wegwerfen wollte.
Und tatsächlich: Andrews, der als Leutnant, Hauptmann und Major bei den Royal Engineers (Sappers) diente, schaffte es, seinen übel zugerichteten Helm für seine Nachkommen aufzubewahren.
Der Helm, von dem ein Stück fehlt, war ein Beitrag seines Sohnes Michael Andrews und seines Enkels Vincent Murphy zu der Ausstellung in Dublin.
Murphy sagte, dass der Helm den Status eines Familiengedenkstücks erlangt habe, das die Erinnerung an Andrews Tapferkeit wach hält. Auch König Georg V. erkannte diese an, als er im April 1917 im Buckingham Palace das Militärkreuz an die Brust des Soldaten heftete.
„Wenn das Schrapnell nur ein paar Zentimeter tiefer eingeschlagen wäre, gäbe es uns jetzt nicht", sagte der in Dublin lebende Murphy.
Andrews erzählte seiner Familie nie, was genau passierte, als er im Alter von 24 Jahren verwundet wurde. Aber seine Angehörigen haben mittlerweile herausgefunden, dass er 10 Tage in einem Feldlazarett verbrachte, bevor er zurück in den Schützengraben musste.
Michael Andrews sagte, der Helm sei ein „sehr wertvolles und lebendiges Andenken" an die Zeit, die sein Vater im Krieg diente. „Dass er überlebte, obwohl er mit solcher Wucht getroffen wurde, muss schon beinahe als Wunder angesehen werden", setzte er hinzu.
19-jähriger wird Sanitäter
Seine einzige medizinische Erfahrung hatte er bei einigen Erste-Hilfe-Übungen mit der lokalen kirchlichen Jugendorganisation gesammelt, in der er damals Mitglied war. Aber schon wenige Monate, nachdem er sich freiwillig zur Armee gemeldet hatte, wurde Billy Draper nach Frankreich geschickt, um dort Verwundete zu versorgen.
Draper aus Haslinton, East Lancashire, war 19 Jahre alt, als er 1915 Gefreiter beim 19. Company Royal Army Medical Corps wurde, einer vor Ort als „The Whalley Pals” bekannten Einheit.
Viele der schätzungsweise 600 seiner Freunde und Kollegen, die zur Armee gingen, kamen im Krieg um. Diejenigen, die überlebten, gedachten ihrer Kriegsjahre auch weiterhin jedes Jahr mit einem gemeinsamen Dinner. Die Tradition endete schließlich, als nur noch drei Mitglieder übrig waren.
In einem Interview mit seinem Freund Grant Smith erzählte der damals 101-jährige Draper, wie er Zeuge eines Gegenangriffs auf das französische Dorf Peronne an der Somme wurde. Er erinnerte sich auch daran, wie er Verwundete einer belgischen Batterie versorgte, die zu einem behelfsmäßigen Verbandplatz wurde und auf die doppelte Größe anwuchs, und er Soldaten, die Morphium erhalten hatten, mit einem „M" kennzeichnete.
Draper starb 1997 an Lungenentzündung, nachdem er sich bei einem Sturz das Bein gebrochen hatte.
Smith aus Lytham St Annes: „Was mich an Billy am meisten beeindruckte, war sein trockener Humor. Er muss während des Krieges schreckliche Dinge gesehen haben, aber ich bin sicher, dass er trotzdem das Lachen nicht verlernt hat. Genau das hat ihm wohl geholfen, mit seinen Erlebnissen fertig zu werden.”